heilige Ungewissheit

 Heilige Ungewissheit (von Rainer Maria Rilke)

 

"Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Sie sprechen alles so deutlich aus:

Und dieses heisst Hund und jenes heisst Haus,

und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

 

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott.

Sie wissen alles, was wird und war;

Kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;

Ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

 

Ich will immer warnen und wehren: bleibt fern.

Die Dinge singen hör ich so gern.

Ihr rühmt sie an: sie sind starr und stumm.

Ihr bringt mir alle die Dinge um."

 

 

 

Alles ist anders, wenn man es von Gott aus betrachtet. Man darf die angestammte Interpretation der Dinge gehen lassen. Dann beginnen sie neu zu einem zu sprechen.

 

Wenn man glaubt, alles zu kennen, verliert man die Fähigkeit zum Staunen in allen Dingen. Nichts ist dann mehr ordinär. Alles hat die Aura des Erstaunens.

 

Dann klammert man sich nicht mehr einfach nur an die äusserlichen Dinge um einen herum und erhebt sie in den Status Gottes.